Samhain - Die Schwelle zwischen den Welten
- Vanessa 🌙 | varus mysticstore

- 4. Juni
- 8 Min. Lesezeit
Wenn Ende Oktober der Abend früher hereinfällt und ich die Nebelschwaden auf den Feldern sehe, spüre ich, wie Samhain naht – diese magische Zeit, in der die Schleier zwischen den Welten dünner werden und ich das Flüstern vergangener Stunden förmlich hören kann. Mein absolutes Lieblingsfest im keltischen Jahreskreis!🍄🍂

Warum Samhain so besonders ist
Samhain (ausgesprochen „Sa-win“) ist für mich weit mehr als nur der Abend vor Allerheiligen oder das moderne Halloween: Es ist der keltische Übergang ins neue Jahr und eine Einladung, ganz bewusst mit den Zyklen von Leben, Tod und Erneuerung zu arbeiten. In dieser Nacht fällt der Schleier zwischen den Welten besonders dünn – ich spüre es selbst immer wieder, wenn der Abend früher hereinbricht und die Dämmerung über Felder und Wälder zieht: Da liegt eine ganz eigene Spannung in der Luft, in der sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft beinahe überlappen.
Neujahrsbeginn der Kelten: Samhain markierte in vorchristlicher Zeit für die irischen, britischen und keltischen Völker den Start ins neue Jahr. Das landwirtschaftliche Jahr war abgeschlossen: Die Ernte eingebracht, das Vieh vermutlich in Ställen versorgt. Nun folgte die „dunkle Hälfte“ des Jahres, in der man sich weitgehend in die Feuerstuben zurückzog. Samhain war der symbolische Moment, in dem man Rückschau hielt, Vergangenes ehrte und zugleich die Samen für das Kommende pflanzte.
Dünner Schleier zwischen den Welten: Die Unsichtbaren, die uns vorangegangen sind, sind in dieser Zeit näher bei uns. Ich spüre besonders, wie lange vergessene Erinnerungen an die Oberfläche drängen – ein zartes Knistern zwischen den Welten. Für die Kelten bedeutete das, dass die Geister der Verstorbenen nach Hause zurückkehrten, um an Familien- und Gemeindewachen teilzunehmen. Man bereitete Speisen und Getränke vor, stellte Gedecke auf und ließ Kerzen brennen, damit die Seelen sich nicht verirren.
Loslassen und Neubeginn: Samhain lehrt, dass Leben und Tod Teil eines ewigen Kreislaufs sind. Wenn ich tief in die dunklen Nächte blicke, fühle ich, wie alles, was mich in den vergangenen Monaten beschwert hat, eine Art „Abschiedsritual“ erhält: Ich erkenne, was ich loslassen darf (Groll, alte Wunden, Erschöpfung) und finde zugleich Zugang zum ungreifbaren Neubeginn. Dieses Loslassen ist kein Ende, sondern das Vorfeld dafür, dass Neues entstehen kann – genau wie Samen, die jetzt in der Erde ruhen, bevor sie im kommenden Frühling keimen.
Ahnenkontakte und Intuition: Viele berichten, dass sie in dieser Zeit intensiver träumen oder das Gefühl haben, Botschaften aus alten Zeiten zu empfangen. Auch ich sammele im Samhain-Bereich regelmäßig Erinnerungen – beispielsweise alte Fotos – und lege sie auf meinen Ahnenaltar. Ich habe das Gefühl, dass in dieser Nacht meine Intuition viel klarer spricht: Eine leise Eingebung, die ich sonst vielleicht ignoriert hätte, kommt an die Oberfläche und zeigt mir den Weg, den ich im neuen Jahr einschlagen möchte.
Historischer Hintergrund
Samhain ist eines der ältesten keltischen Festfeste, das bereits vor rund 2.500 Jahren von Druiden und keltischen Stämmen im heutigen Irland, Schottland und Teilen Europas gefeiert wurde. Sein Name leitet sich vermutlich von altirisch „sam fuin“ ab, was so viel wie „Sommer Ende“ oder „Sommerruhe“ bedeutet. Hier ein etwas genauerer Blick, wie Samhain historisch entstand und warum er bis heute so kraftvoll ist:
Druiden und Feuerzeremonien:
In heidnischen Druidenschulen galt Samhain als einer von vier großen Festpunkten – neben Imbolc, Beltane und Lughnasadh –, die den Jahreskreis in klare Abschnitte einteilten.
Traditionell versammelten sich die Stammesgemeinschaften um große Feuer auf Hügeln oder an heiligen Quellen. Jeder Stamm brachte Holz mit, das bereits das Jahr über unterhalten wurde; Flammen wurden gelöscht und neu entfacht, um Dunkelheit und Krankheit abzuhalten. Dieses Feuer war ein heiliges Bindeglied zwischen Mensch, Natur und Göttern, und der Druidische Hochpriester entzog die Flamme von den alten Scheiterhaufen, bevor alle anderen zusahen, wie sie wieder entfacht wurde.
Ernteabschluss und Viehzählung:
Samhain fiel in eine Zeit, in der die verbleibenden Feldfrüchte für den Winter eingelagert und das Vieh in geschützte Ställe getrieben wurde. Fast die gesamte Gemeinschaft nahm an dieser Viehzählung teil – ein umsichtiger Akt, denn jedes fehlende Tier bedeutete weniger Nahrung in den dunklen Monaten.
Gleichzeitig war Samhain der Moment, in dem man Geschenke an die Feen und Naturgeister darbrachte: Zornige Feen sollten besänftigt werden, damit sie den Stall und den Herd im Winter nicht zerstörten. Dafür legte man kleine Speisen an Platzrändern oder Hänge zu Lughnasadh und Samhain als Dankopfer nieder.
Ahnenverehrung und die Saat für das neue Jahr:
Genau in dieser besonderen Nacht polierte man traditionell die Grabsteine der Vorfahren, richtete Gedecke auf dem Lagerfeuerplatz und verlas Familienchroniken: Wer war im vergangenen Jahr gestorben, wer geboren worden? Diese Andacht förderte den Zusammenhalt der Gemeinschaft, denn man sah im kollektiven Erinnern an die Ahnen eine Form lebendigen Schutzes für das kommende Jahr. Man zündete Feuer und Laternen an, um die zurückkehrenden Seelen zu leiten. In manchen Regionen Irlands stellten Familien Gedecke auf den Tisch, um ihre Verstorbenen willkommen zu heißen, ähnlich wie bei dem mexikanischen Totenfest "Dia de los Muertos"
In einigen Überlieferungen heißt es, wer bei Samhain seine Ahnenerzählungen vergisst, riskiere, den Segen der Geister nicht zu erhalten. Deshalb hieß es, man möge in dieser Nacht besonders achtsam sein: Einmal im Jahr sollte niemand allein in der Dunkelheit sein, um nicht von verlorenen Seelen überrascht zu werden.
Masken, Verkleidungen und das erste „Guising“:
Zur gleichen Zeit entwickelten sich Rituale, bei denen man Tier- oder Geistermasken trug – so sollten böse Geister getäuscht werden, die in dieser Nacht umherwanderten. Diese alten Maskenbräuche sind die Wurzeln unserer heutigen Verkleidungen zu Halloween.
Im Mittelalter wandelten sich diese Maskeraden in „Guising“ (Verkleiden), bei denen man von Haus zu Haus zog, Gedichte aufsagte oder Lieder sang, im Austausch für ein Stück Kuchen oder einen Cider. So blieb Samhain lebendig, auch wenn sich seine Form von kultischer Zeremonie hin zu ländlichem Brauchtum verschob.
Christliche Überlagerung & All Hallows:
Als das Christentum sich ausbreitete, verlegte man Allerheiligen auf den 1. November und Allerseelen auf den 2. November. Dadurch wurden viele heidnische Samhain-Bräuche in den neuen kirchlichen Rahmen übernommen: Man segnete am Vorabend die Lichter, stellte Gaben auf die Fensterbank – was wir heute in Form von Kerzen, Kürbislaternen und Gedenktafeln wiederfinden.
Moderne Wiederentdeckung & Samhain-Revival:
Im 20. Jahrhundert kam es mit der Wiederentdeckung keltischer Spiritualität und Wicca-Bewegung zu einem Samhain-Revival: In neupaganen Kreisen wurde Samhain zum „Wicca-Neujahr“.
Heute feiern Heiden, Wiccas und Hexen inmitten städtischer und ländlicher Umgebungen – mal in öffentlichen Coven, mal allein in der Wohnung – Samhain, indem sie Ahnenaltäre errichten, Schutzrituale ausführen und die Nacht beim Räuchern, Singen oder in Stille verbringen.
Durch all diese Epochen verfolgt Samhain eine zentrale Botschaft: Tod und Leben sind untrennbar. Indem wir das Licht ehren, das nun langsam zurückgeht, und gleichzeitig die Schattenseiten anerkennen, üben wir uns in ganzheitlichem Bewusstsein. Für mich ist Samhain so besonders, weil es mich jedes Jahr aufs Neue daran erinnert, dass selbst in der tiefsten Dunkelheit der Keim der Sonne schon verborgen reift.
Mein liebstes Samhain-Ritual: Ahnenaltar & Herzensbriefe
Dieses Ritual hilft mir jedes Jahr, meine Ahnen zu ehren und gleichzeitig Ballast aus der Vergangenheit loszulassen.
Materialien:
Ein kleiner Tisch oder eine Ablagefläche (z. B. Fensterbank)
Ein altes Foto oder Erinnerungsstück deiner verstorbenen Liebsten (z. B. ein Familienbild, ein Schmuckstück)
Eine flache Schale oder Teller für Kerzen und Räucherwerk
Schwarze oder dunkelviolette Kerze(n) (symbolisieren die Nacht und das Ahnenreich)
Räucherwerk: Salbei, Beifuß oder Johanniskraut
Papier und Stift für Herzensbriefe
Eine kleine Dose oder Schale zum Sammeln des Briefpapiers nach dem Ritual
Anleitung Schritt für Schritt:
Vorbereitung & Fokussierung: Suche dir einen ruhigen Ort, z. B. deinen Schreibtisch oder eine Fensterbank, und decke ihn mit einem schönen Tuch ab. Stelle die Fotos oder Erinnerungsstücke deiner Ahnen in die Mitte. Atme tief ein und aus, lass den Alltag los und richte deine Aufmerksamkeit auf die Liebe, die du empfangen hast und weitergeben möchtest.
Räucherung & Kerzenanzünden: Zünde deinen Räucherbündel an (z. B. Salbei) und führe den Rauch einmal um die Fotos herum. Dann stelle die schwarze oder dunkelviolette Kerze in die Schale und entflamme sie. Achte darauf, dass sie sicher steht. Spüre, wie der Duft des Räucherwerks den Raum klärt und eine spirituelle Atmosphäre erzeugt.
Herzensbriefe schreiben: Nimm ein Blatt Papier und schreibe einen Brief an einen verstorbenen Menschen, dem du etwas sagen möchtest: Dankbarkeit, Abschiedsworte oder Fragen. Lass die Feder fließen, ohne inneren "Zensor". Wenn du fertig bist, falte den Brief zusammen und lege ihn in die Dose oder Schale. Wiederhole diesen Schritt, bis du alles gesagt hast, was dir auf dem Herzen liegt.
Segenswort & Loslassen: Halte deine Hand über die Briefe und sprich leise:
„Ahnen, nehmt meine Worte an und tragt sie in die Nacht. Gebt mir euren Segen, damit ich loslassen kann, was mich beschwert.“ Danach entzündest du vorsichtig jeden Brief über der Kerzenflamme (oder, falls du offenes Feuer vermeiden möchtest, brennst du ihn in einem feuerfesten Gefäß mit Sand). Sammle die Asche in der Dose, ohne Eile.
Ahnenaltar ausrichten: Lass die Kerze weiterbrennen, bis sie vollständig heruntergebrannt ist (oder lösche sie vorsichtig mit einem Kerzenlöscher, wenn du sie wiederverwenden möchtest). Die Asche der Briefe kannst du später im Garten oder in einer Pflanze vergraben, um deine Worte symbolisch an die Erde zurückzugeben.
Rezept & DIY-Idee: Soul Cakes
Soul Cakes sind kleine, gewürzte Kuchen, die im mittelalterlichen England und Irland Ende Oktober/Anfang November an „Soulers“ verteilt wurden, die im Austausch für Gebete für die Verstorbenen von Tür zu Tür gingen. Sie wurden oft mit Zimt, Nelken und Rosinen zubereitet und mit einem Kreuz versehen, um die Verbindung zwischen den Lebenden und den Ahnen zu symbolisieren. Heute werden sie im Rahmen von Samhain-Ritualen gebacken, um Dankbarkeit zu zeigen und die Ahnen zu ehren. Das Backen und Teilen von Soul Cakes erinnert daran, dass Leben und Tod Teil eines untrennbaren Kreislaufs sind.
Falls du die Tradition ausprobieren möchtest, hier ein einfaches Rezept, das an die alten Soul Cakes anknüpft:
Zutaten (für ca. 8–10 kleine Cakes):
200 g Weizenmehl
50 g Zucker (brauner Zucker verleiht mehr Tiefe)
1 TL Zimt
½ TL gemahlene Nelken
¼ TL Muskatnuss
½ TL Salz
100 g Butter (Zimmertemperatur) oder vegane Margarine
1 Ei (oder Ei-Ersatz)
2 EL Rosinen oder gehackte getrocknete Früchte
1 EL Milch (oder Pflanzenmilch)
Zubereitung:
Teig anrühren: Mehl, Zucker, Gewürze und Salz in einer Schüssel mischen. Die weiche Butter in Stücken dazugeben und mit den Händen einarbeiten, bis eine bröselige Masse entsteht. Ei und 1 EL Milch unterheben, dann die Rosinen untermengen. Der Teig sollte fest, aber formbar sein.
Formen: Kleine Kugeln von etwa 4 cm Durchmesser formen, flachdrücken und mit einem scharfen Messer oder Zahnstocher je ein kleines Kreuz einritzen. Auf ein mit Backpapier belegtes Blech legen.
Backen: Bei 180 °C (Umluft 160 °C) ca. 12–15 Minuten backen, bis die Ränder leicht goldbraun sind. Herausnehmen, auskühlen lassen. Nach Belieben noch eine Prise Muskatnuss oder Puderzucker drüberstäuben.
Alltagsintegration & Tipps
Tagebuch & Traumprotokoll: In den Tagen um Samhain führe ich morgens ein kurzes Traumtagebuch. Oft kommen in dieser Zeit lebhafte, symbolische Träume, die mir Botschaften meiner Intuition und meiner Ahnen schenken.
Kürbis-Laterne basteln: Statt einer klassischen Halloween-Deko schnitze ich kleine Augen und ein Lächeln in Mini-Kürbisse und stelle sie in einer Reihe ans Fenster. Das flackernde Licht schützt symbolisch mein Zuhause vor düsteren Energien.
Herbstspaziergang bei Dämmerung: Gehe in den Samhain-Abendstunden bewusst spazieren, vielleicht im Wald oder einem Park. Spüre, wie die Geräusche leiser werden und die Dämmerung dich begleitet. Ich greife oft nach einem Zapfen oder einem bunten Blatt, um es meinen Ahnen am Altar als Gabe anzubieten.
Samhain ist für mich ein Fest der Stille, des ehrlichen In-sich-Kehrens und der Dankbarkeit. Wenn du dieses Jahr deine Kerze anzündest, deine Herzensbriefe verbrennst und deine Soul Cakes isst, erinnere dich daran: Du bist eingebettet in ein Netz aus Erinnerungen, Ahnenliebe und magischer Kraft. Lass los, was du nicht mehr brauchst, nimm die Geschenke der Dunkelheit an und spüre, wie dein inneres Licht in der tiefsten Nacht leuchtet. 🕯️
Gesegnet sei dein Samhain – möge das Flüstern der Ahnen dich in dieser Schwelle begleiten und stärken. 🍂🎃





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